Selbstregulation: Wie Sie sich selbst stabilisieren können

Zurück in die optimale Erregungszone: Strategien und Übungen zur Rückkehr ins Window of Tolerance

Verstehen wir und nehmen wir wahr, wann wir uns innerhalb und wann wir uns außerhalb unseres Toleranzfensters befinden, können wir bei Bedarf Strategien anwenden, um uns zu regulieren und uns wieder in die optimale Erregungszone zu bringen.

Schmerzhafte Gefühle verlaufen in Wellen!

Im Zustand des Schmerzes glauben wir nicht daran, dass dieser Schmerz je wieder aufhören wird. Das ist aber nicht richtig. Schmerzhafte Gefühle verlaufen in Wellen: Sie bauen sich auf und flachen von alleine wieder ab. Wir können uns selbst beruhigen, indem wir unseren Körper zur Hilfe nehmen.

Selbstfürsorge

  • Ausreichend Schlaf
  • Ein geregelter Tag-Nacht-Rhythmus
  • Gesunde Ernährung, regelmäßige Mahlzeiten und ausreichend Flüssigkeitszufuhr
  • Regelmäßige Bewegung
  • Vermeidung von Suchtmitteln
  • Pausen und Phasen der Entspannung
  • Alles, was guttut und entspannt: Musik hören, Lesen, Spazierengehen, Freunde treffen, Sauna, Yoga etc.

Den Körper spüren und im Hier und Jetzt landen

  • Stellen Sie die Füße stabil auf den Boden, stehen Sie evtl. auf und bewegen sich.
  • Atmen Sie langsam ein und aus: Ein tiefer Atemzug in den Bauch beruhigt das Nervensystem sofort.
    Sie können die Entspannung intensivieren, indem Sie mit der 4-7-8-Atmung den Fokus auf das Ausatmen richten:
    Atmen Sie 4 Sekunden durch die Nase ein, halten Sie den Atem für 7 Sekunden an und atmen Sie dann 8 Sekunden lang aus.
  • Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf 3 Dinge in Ihrer unmittelbaren Umgebung: Auf etwas, das Sie sehen, auf etwas, das Sie hören und auf etwas, das Sie fühlen und anfassen können.
  • Schauen Sie aus dem Fenster oder gehen Sie raus und richten Sie Ihren Blick in den Himmel oder in die Natur/ins Grüne. Oft machen Sie sofort unwillkürlich einen tiefen Atemzug: Ein Zeichen, dass sich Ihr Nervensystem entspannt.
  • Streichen Sie abwechselnd rechts und links über Ihre Arme. Auf diese Weise werden Ihre beiden Gehirnhälften in Einklang gebracht und das Unterbewusstsein beruhigt.
  • Brummen/summen Sie: Die dadurch hervorgerufene Stimulation des Vagusnervs beruhigt Ihr Nervensystem.
  • Besorgen Sie sich eine Gewichtsdecke oder einen Sandsack, um Ihren Körper/Ihre Füße zu beschweren und sich somit zu erden.

Körpergrenze etablieren

Klopfen Sie regelmäßig Ihren Körper ab oder streichen Sie sanft Ihre Körperkonturen entlang. Auf diese Weise vertieft sich das Körperbewusstsein und das Gefühl für Ihre Körpergrenzen. Sie bekommen ein Gespür dafür, wie es sich anfühlt, sich zu verkörpern, im eigenen Körper zu landen und diesen Raum einzunehmen. Je öfter Sie dies tun, umso tiefer sinkt dieses Gefühl in Ihr Körpergedächtnis. Mit diesem neu gewonnenen Selbstverständnis können Sie besser wahrnehmen und erkennen, wann andere in Ihren Raum eindringen und Ihre Grenzen überschreiten. 

Co-Regulation erbitten

Sind Sie nicht alleine, können Sie auch eine andere Person bitten, zur Beruhigung Ihre Hand zu halten, Sie in den Arm zu nehmen oder Sie zu erden, indem die Person ihre Füße auf die Ihren stellt.


Erweiterung des Stresstoleranzfensters

Sind wir gut reguliert und befinden uns in der optimalen Erregungszone, besteht die Möglichkeit, das Window of Tolerance auszudehnen. Wir haben eine Grundlage geschaffen, die es uns ermöglicht, unsere Komfortzone zu verlassen und langsam und in kleinen Schritten Neues zu wagen.

Inneren Beobachter aktivieren

Üben Sie, Ihren inneren Beobachter zu aktivieren. Versuchen Sie wahrzunehmen, welche Situationen Sie an die Grenze des Toleranzfensters bringen: Wie reagiert Ihr Nervensystem? Wann gerät es in eine Über- bzw. Untererregung? Beobachten Sie sich und Ihre Reaktionen: Was genau passiert in Ihrem Körper? Welche Körperempfindungen nehmen Sie wahr? Welche Emotionen werden ausgelöst und in welchem Ausmaß? Indem Sie die Beobachterrolle einnehmen, treten Sie einen Schritt zurück und gewinnen eine innere Distanz zum aktuellen Geschehen und den damit verbundenen belastenden Gedanken und Gefühlen. Dies ermöglicht Ihnen, eine Pause zwischen dem Trigger und Ihrer Reaktion einzulegen. Sie werden nicht länger überwältigt und Sie sind der Situation nicht mehr hilflos ausgeliefert. Je mehr Ihnen bewusst wird, auf was Sie reagieren, desto besser können Sie Gegenmaßnahmen ergreifen und sich selbst regulieren.

Emotionen zulassen und fließen lassen

Der Körper hilft uns unsere Gefühle zu verstehen und besser mit ihnen umzugehen. Insbesondere die unangenehmen und schmerzhaften Gefühle wie Wut, Traurigkeit und Angst sind deutlich körperlich wahrnehmbar. Unterdrücken wir diese und bremsen deren Fluss, führt dies zu Energieblockaden und auf lange Sicht zu chronischen Schmerzen und Krankheit. Gleichzeitig werden auf diese Weise auch angenehme Gefühle gehemmt und Sie sind in Ihrer Lebendigkeit  und Lebensfreude eingeschränkt.

Wut

Wut spüren wir im oberen Rücken. Sie fließt von den Schulterblättern über die Wirbelsäule und den Nacken in den Kiefer. Unterdrückte Wut führt zu Anspannung im Körper und somit zu Schmerzen im oberen Rücken, zu verspannten Schultern und zu Spannungskopfschmerzen. Sie lässt uns den Kiefer zusammenbeißen und mit den Zähnen knirschen. Wut hilft uns wahrzunehmen, wann wir eine Grenze setzen und Nein sagen sollten. Menschen, bei denen die Wut blockiert ist, fühlen sich häufig ausgenutzt und missbraucht.

 

Traurigkeit

Traurigkeit spüren wir zunächst in der Brust. Sie wandert dann weiter über den Hals bis in die Augen. Der Prozess des Trauerns hilft uns, unseren Schmerz los- und Dinge und Menschen gehen zu lassen, damit Energie für etwas Neues frei wird. Blockieren wir die Energie der Traurigkeit, kann dies zu Hals- oder Stimmproblemen sowie zu Problemen im Mund, in den Nebenhöhlen oder den Augen führen.

 

Angst

Angst spüren wir im Bauch. Es entsteht ein Engegefühl in der Magengegend. Menschen, die ihre Angstenergie blockieren, schlucken diese herunter und haben daher häufig Magen- und Darmprobleme. Ihnen ist beispielsweise oft übel oder sie haben Sodbrennen. 
Angst hilft uns instinktiv gefährliche Situationen richtig einzuschätzen und sorgt somit für unsere Sicherheit und unser Überleben. Blockieren wir den angeborenen Instinkt der Angst, verlieren wir auch die Fähigkeit unserer Intuition zu folgen und auf unser Bauchgefühl zu hören. Wissen wir um die Bedeutung unseres Bauchgefühls und vertrauen diesem intuitiven Alarmsystem, so sind wir frühzeitig gewarnt, wenn sich Situationen, in denen wir bereits in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben, wiederholen und unsere Werte missachtet werden und können rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen, sodass wir weder von der Angst noch von dem Verhalten anderer überrollt werden. Menschen, die ihr Bauchgefühl ignorieren, nehmen sich häufig selbst nicht so wichtig und stellen eigene Ansprüche bereitwillig in den Hintergrund.

Um unsere Emotionen in Fluss zu bringen, ist es wichtig, die Blockaden zu lösen, indem wir die betroffenen Körperstellen bewegen. Öffnen Sie Ihren Kiefer. Auch ein ausgiebiges Gähnen beispielsweise lockert die angespannte Kiefermuskulatur. Ein tiefer Atemzug schafft ein wenig mehr Platz im Brust- und Bauchraum. Ein Brummen löst Blockaden im Halsbereich.

Erlauben Sie sich, Ihre Emotionen zu spüren und anzunehmen. Gegen die Gefühle anzukämpfen, kostet nur unnötig Kraft und Energie. Es gibt nichts zu tun. Beobachten Sie, was passiert, wenn Sie sich bewegen, atmen und summen. Die blockierte Energie beginnt zu fließen und die Welle der Emotionen ebbt ab.

Grenzen wahrnehmen

Werden Sie sich bewusst, in welchen Situationen Sie "Ja" sagen, obwohl Sie "Nein" meinen. Wann stellen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten anderer zurück? In welchen Situationen passen Sie sich an? Wozu ist das gut, welches Bedürfnis wird damit befriedigt und wie geht es Ihnen damit? Gibt es einen Teil in Ihnen, der anders reagieren möchte? Welches Bedürfnis steckt hier dahinter? Was könnte ein erster kleiner Schritt sein, um dieses Bedürfnis zu befriedigen?

Eigene Stärken bewusst machen

Besinnen Sie sich darauf, was Ihnen Kraft gibt und was Sie stärkt. Was können Sie gut? Was machen Sie gerne? Wer oder was hat Ihnen in der Vergangenheit vielleicht schon einmal geholfen, eine schwierige Situation erfolgreich zu meistern? Wer oder was kann Sie dabei unterstützen, den ersten Schritt zu gehen, um etwas in Ihrem Leben in Bewegung zu bringen und nach Ihren eigenen Vorstellungen zu verändern?

Den 1. Schritt wagen

Um das Toleranzfenster zu weiten, müssen wir unsere Komfortzone verlassen. Es braucht den Mut, genau das zu wagen, was wir in der Vergangenheit vermieden haben. Tun Sie also genau das, was Ihnen Angst macht. Fokussieren Sie sich dabei auf den ersten Schritt, nicht auf den ganzen Weg. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Besinnen Sie sich auf Ihre Stärken und trauen Sie sich zu, dass der erste Schritt möglich ist. Der Weg entsteht beim Gehen. Lassen Sie Ihren Antrieb größer sein, als Ihre Zweifel, indem Sie sich immer wieder bewusst mit dem Ziel verbinden, das Sie erreichen möchten. Die Entscheidung, nicht länger zu warten und loszugehen, bringt in der Regel einen Zuwachs an Selbstvertrauen mit sich. Und sind Sie mutig den ersten Schritt gegangen, sammeln Sie dabei den Mut, den Sie brauchen, um auch den zweiten Schritt zu gehen. Mut lässt sich trainieren. Sie werden sehen, dass Sie Schritt für Schritt mutiger werden.

Glimmer einbauen

Glimmer ist das Gegenmittel für Trigger. Gemeint sind kleine Momente, die ein Gegengewicht zu einem Trigger darstellen und somit auf sanfte Weise das Nervensystem umformen können. Indem Sie positive Mikromomente bewusst auf 30 Sekunden ausdehnen, verstärken Sie Ihren Glimmerfaktor. Glimmer ist zum Beispiel, wenn Sie bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Ihres Lieblingskuchens die Wärme der Sonne auf Ihrer Haut spüren oder Ihnen bei einem Spaziergang der Geruch von frisch gemähtem Gras in die Nase steigt. Je mehr Sinne gleichzeitig angesprochen werden, um so intensiver und lebendiger der Glimmer-Moment.