EMDR

EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist ein Psychotherapieverfahren, das Ende der 80er Jahre von Dr. Francine Shapiro (USA) zur Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt wurde. Mit Hilfe von Augenbewegungen wird die durch das Trauma blockierte Verarbeitung von belastenden Erinnerungen und Emotionen angeregt - vergleichbar mit dem Verarbeitungsprozess während der REM-Phase im Schlaf. Die meisten Patienten erleben nach einer EMDR-Sitzung eine entlastende Veränderung der Erinnerung. Die damit verbundene körperliche Erregung klingt deutlich ab und negative Gedanken können positiv neu- oder umformuliert werden.


EMDR: Anwendungsgebiete

  • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
  • Anpassungsstörungen nach belastenden Lebenserfahrungen
  • Starke Trauer nach Verlusterlebnissen
  • Schlafstörungen
  • Depression
  • Selbstwertproblematik
  • Angst- und Panikstörungen, Phobien
  • Psychosomatische Störungen
  • Sexuelle Dysfunktionen
  • Chronische Schmerzen
  • Leistungsblockaden, Prüfungsangst

EMDR: Kontraindikationen

  • Aktuelle psychotische Syndrome
  • Major Depression
  • Schwere dissoziative Störungen
  • Mangelnde Ich-Stärke
  • Manifeste Sucht
  • Hirnorganische Erkrankungen (Epilepsie, Multiple Sklerose, Parkinson, Schlaganfall, Hirntumor)
  • Herz-/Kreislauf-Erkrankungen
  • Schwere Augenerkrankungen (Netzhautablösung)
  • Starker sekundärer Krankheitsgewinn
  • Geringe Therapiemotivation


EMDR: Standardisierter Ablauf in 8 Phasen

 

1. Anamnese und Behandlungsplan

 
 
  • Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung
  • Anamnese: Überprüft wird, ob ein ausreichendes Maß an Stabilität vorhanden ist, um mit den eventuell im EMDR-Prozess aufkommenden intensiven Emotionen umgehen zu können.
  • Gemeinsames Erstellen einer Landkarte mit den belastenden Erinnerungen, Triggern und Zukunftserwartungen
 
     
 

2. Stabilisieren und Vorbereiten

 
 
  • (Re-)Aktivieren von Ressourcen
  • Einüben von Selbstregulation: Voraussetzung für den EMDR-Prozess ist die Fähigkeit, sich selbst beruhigen und trösten zu können.
  • Erlernen von Entspannungs- und  Distanzierungstechniken (z.B. Etablieren eines "sicheren Ortes", Tresor-Übung)
  • Festlegen der Art der Stimulation: Augenbewegungen (Klient folgt mit den Augen einer Serie schneller Fingerbewegungen von rechts nach links) oder Tapping (abwechselndes, kurzes und schnelles Tippen mit den Fingern auf das rechte und linke Knie oder die rechte und linke Handinnenfläche)
  • Vereinbaren eines Stopp-Signals: Der EMDR-Prozess kann jederzeit unterbrochen werden.
 
     
 

3. Bewerten

 
 
  • Fokussieren der belastenden Situation, Erinnerung, Zukunftserwartung
  • Bestimmen der belastenden negativen Kognition (NK): „Wenn Sie an die Ausgangssituation denken, was denken Sie heute dabei?"
  • Erarbeiten einer positiven Kognition (PK): „Was würden Sie lieber denken?“
  • Einschätzen der PK auf der VoC-Skala (Glaubwürdigkeit) von 1 = völlig falsch bis 7 = völlig zutreffend
  • Benennen der belastenden Emotionen und Einschätzen des Grades der Belastung (SUD-Skala) von 0 = neutral bis 10 = schlimmster Zustand
  • Beschreiben der Körperempfindungen und Verortung im eigenen Körper
 
     
 

4. Desensibilisieren und Prozessieren

 
 
  • Kurzes in Kontakt gehen mit der belastenden Situation, Erinnerung, Zukunftserwartung bei gleichzeitiger bilateraler Stimmulation in mehreren Durchgängen bis der zuvor bestimmte Belastungswert deutlich gesunken ist.
  • Nach jedem Durchgang wird der Klient gebeten, von dem Gedanken, Gefühl oder Bild zu berichten, das als letztes aufgetaucht ist. Mit dem aktuell im Vordergrund stehenden Element wird weitergearbeitet.
  • Erfahrungsgemäß tauchen weitere Details der Traumatisierung auf oder aber es erfolgt ein kontinuierliches Verändern und Distanzieren von Einstellungen, Erinnerungen und Gefühlen.
  • Im Laufe der Behandlung nimmt in der Regel die zuvor empfundene Belastung ab und die positive Kognition fühlt sich “realer” an. Die Belastung kann zwar noch erinnert werden, ist aber nicht mehr ständig präsent und wird nun in der Vergangenheit verortet.
 
     
 

5. Verankern

 
 
  • Die positive Kognition (z.B. “Es ist vorbei”) wird mit der bearbeiteten Erinnerung/Zukunftserwartung in Verbindung gebracht und eine Einschätzung der Glaubwürdigkeit und Stimmigkeit dieser Kombination auf einer Skala von 1 bis 7 erfragt.
  • Mittels bilateraler Stimulation wird nun die positive Kognition intensiviert während zeitgleich die negativen traumatischen Empfindungen weiter abgeschwächt werden.
 
     
 

6. Körpertest

 
 
  • Es wird geprüft, ob noch Reste der Belastung im Körper gespeichert sind.
  • Der Klient vergegenwärtigt sich noch einmal die Ausgangssituation in Verbindung mit der positiven Kognition und wandert gleichzeitig langsam durch seinen Körper und schildert die hierbei aufkommenden Körperempfindungen.
  • Bei Bedarf werden die noch vorhandenen Reste prozessiert.
 
     
 

7. Abschluss

 
 
  • Bei Bedarf Durchführen einer kurzen Distanzierungs- oder Entspannungsübung zum Sichern oder Wiederherstellen des emotionalen Gleichgewichts.
  • Tresor: Belastende Reste können bis zum nächsten Termin sicher verstaut werden.
  • Besprechen von Verhaltensmaßnahmen für den Notfall: In den Stunden nach einer EMDR-Behandlung kann das Gehirn mit der Bearbeitung fortfahren (Nachprozessieren). Es kann neues belastendes Material auftauchen (Träume, Erinnerungen, Gefühle).
 
     
 

8. Überprüfen und Nachbereiten

 
 
  • Am Anfang der nächsten EMDR-Sitzung wird überprüft, ob das Thema der letzten Sitzung vollständig verarbeitet wurde und somit abgeschlossen ist oder ob neues Material aufgetaucht ist.
  • Gegenwärtige Auslöser der Symptomatik und mögliche zukünftige Auslöser werden angesprochen und bearbeitet.