Entwicklungs- und Schocktrauma

Entwicklungstrauma

Der Begriff Entwicklungstrauma beschreibt einen Zustand, der auf frühkindliche emotionale Verletzungen zurückzuführen ist. Es handelt sich um Verletzungen, die wiederholt und über einen längeren Zeitraum erfolgen, aber nicht zwingend schwerwiegend sein müssen. Der Begriff „Trauma“ ist daher an dieser Stelle vielleicht zunächst einmal irritierend.


Schocktrauma

Trauma heißt Verletzung oder Wunde. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird mit einem Trauma ein einmaliges, schreckliches und überwältigendes Ereignis in Verbindung gebracht, beispielsweise ein Überfall, ein Unfall, körperliche oder sexualisierte Gewalt, eine Naturkatastrophe oder Kriegserlebnisse, aber auch eine OP, der Verlust eines nahestehenden Menschen oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Fachleute sprechen hier von einem Schocktrauma. Gelingt es nicht, den mit einem Schocktrauma einhergehenden Schrecken zu verarbeiten, verbleibt die mit dem Schreck verbundene Energie im Körper, wird dort gehalten und gespeichert. Menschen, die ein Schocktrauma erlitten haben, können eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Das Nervensystem befindet sich dann instinktiv in ständiger Alarmbereitschaft, um im Notfall, sprich bei Reizen, die an das Trauma erinnern, mit Kampf, Flucht oder Erstarrung reagieren zu können. Dieses Verhalten erfolgt automatisch und kann unbehandelt nicht beeinflusst werden.

Traumatisches Erleben ist subjektiv

Was ein Mensch als traumatisierend erlebt, ist sehr subjektiv. Was der eine ohne Probleme verarbeiten kann, führt beim anderen zu massiven Beeinträchtigungen. Ein Ereignis an sich ist erst einmal nicht traumatisierend. Ob ein bestimmtes Ereignis verarbeitet werden kann oder eine Traumafolgestörung zur Folge hat, hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise vom Alter, der Häufigkeit der traumatischen Ereignisse, dem Vorhandensein von Bezugspersonen, die trösten und Halt geben.


Ursachen eines Entwicklungstraumas

Frühkindliche Bindungs- und Beziehungserfahrungen

Vergleichsweise wenig verbreitet ist das Wissen über die Bedeutung und die prägenden Auswirkungen eines Entwicklungstraumas. Der Grundstein eines Entwicklungstraumas wird in der Kindheit, insbesondere in den ersten 3-4 Lebensjahren gelegt und ist eng mit dem Verhalten unserer ersten Bezugspersonen, in der Regel unserer Eltern, verknüpft. Sind diese nicht in der Lage, adäquat auf die Bedürfnisse eines Säuglings einzugehen, so kann es passieren, dass diese Situation starke, den Säugling überwältigende Emotionen auslöst. Der Säugling kann diese alleine nicht verarbeiten. Ein Säugling, der z.B. hungrig oder ängstlich ist, kann sich nicht alleine beruhigen. Er ist auf die eingestimmte Kommunikation einer Bezugsperson angewiesen, die sein Bedürfnis erkennt und unmittelbar darauf reagiert. Dem Hunger muss Abhilfe geschaffen, die Angst muss reguliert werden. Passiert dies nicht, versetzt dies den Säugling in Todesangst. Nicht regulierte Emotionen und unbefriedigte Grundbedürfnisse führen zu chronischem Stress in Form einer Über- oder Untererregung im Nervensystem. Dieser wird im Körper gespeichert. Es werden ähnliche Symptome wie beim oben beschriebenen Schocktrauma ausgelöst. Die Tragik daran: Da sich das autobiographische Gedächtnis erst ab dem 4. Lebensjahr entwickelt, können diese überwältigenden Erfahrungen nicht erinnert werden. Vielen Menschen ist also gar nicht bewusst, dass sie unter einem Entwicklungstrauma in Form von chronischem Stress leiden. Die Symptome können nicht eingeordnet werden, sind daher nicht wirklich greifbar und eher diffus.

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Folgen eines Entwicklungstraumas

Ein Entwicklungstrauma kann demnach eine Erklärung dafür bieten, warum viele Menschen heutzutage schnell und immer wieder großen Stress und eine damit verbundene, mehr oder weniger latente Unzufriedenheit verspüren, die sie selber nicht recht verstehen und in Worte fassen können. Diese Unzufriedenheit ist eher ein vages Gefühl. Oft haben diese Menschen eine weitgehend „normale“ Kindheit erlebt und sind vielleicht sogar ohne nennenswerte Schicksalsschläge aufgewachsen, was es noch schwieriger macht, eine Erklärung für das Leiden dieser Menschen zu finden. Dieses Lebensgefühl ist in den letzten Jahren auch unter dem Begriff Kriegsenkel-Syndrom in den Fokus der Öffentlichkeit geraten.


Symptome eines Entwicklungs- und Schocktraumas